Wie es dazu kam …
Es war im Dezember 2019, als einige Händler und Kunden nach Straelen zur Fa. Beyß gerufen wurden, um ein neues VM-Modell zu übernehmen und uns gleich wichtige Tipps und Tricks der neuen Technik vermittelt werden sollte.
Ich weiß gar nicht mehr so richtig auf was ich mich mehr freute, das neue VM in Empfang zu nehmen, oder Andreas Beyß endlich persönlich kennen zu lernen. Vermutlich ein Mix aus beiden Gelegenheiten.
Nach einer Weile des Beschnupperns und einigen Tassen Kaffee sollte es bald losgehen, wir wurden gruppiert und ich hatte gleich das große Los gezogen und wurde dem Andreas zugeteilt.
Wir schnappten uns mein neues Fahrzeug und passten den Sitz ein. Bis ich wusste, wie das alles so richtig funktioniert, Abstände messen, wo gebohrt werden muss, wie der Sitz positioniert werden soll, hielt Andreas schon die Bohrmaschine in der Hand und bewies mir sein gutes Augenmaß.
Seine Gelassenheit und die Herangehensweise an einem über 10.000 € teurem Fahrzeug beeindruckten mich doch sehr. Nie und nimmer würde ich das so machen. Noch heute klebe ich relevante Stellen ab, messe und markiere die Positionen bevor ich den Bohrer irgendwo durchjage. Da kam dann doch die ganze Erfahrung von Andreas zum Tragen, denn ich hätte die Stellen nicht besser messen können, millimetergenau gebohrt. Respekt!
Es war ein sehr informativer und anstrengender Tag. Viele neue Gegebenheiten rauben Energie, nur die Euphorie hält einen wach. Spät am Abend stand die Abreise an und es ging mit meinem ersten Vorführer nachhause. Zuvor tauschten Andreas und ich noch unsere Handynummern aus, da wir in Kontakt bleiben wollten.
Auf der Heimfahrt noch von der Aktion zehrend, ließ mich jedoch ein Thema nicht in Ruhe. Etwas, das mir schon einige Jahre durch den Kopf geistert. Während Andreas und ich mein Fahrzeug aufbauten, blickte ich ständig zu seinem EVO-R. Es ist und war schon immer mein Traum-Velomobil. Irgendwann werde ich eins mein Eigen nennen, irgendwann … das ging mir ständig durch den Kopf.
Einige Wochen später rief ich Andreas an und wir tauschten uns über Stärken und Schwächen zum neuen VM-Modell aus. Während des Gespräches schoss mir wieder das EVO-R durch den Kopf und nun hatte ich noch seinen Erschaffer am Telefon … man ahnt es schon, gell?
Es kam wie es kommen musste, ich fragte Andreas ganz frech, ob er mich in die Welt des VM-Baus einführen möchte. Tipps und Tricks vermitteln und ich mir im Zuge dessen mein eigenes EVO-R bauen darf. Natürlich gegen Bezahlung. Seine Begeisterung dafür hielt sich in Grenzen. Zu oft wurde er mit dieser Anfrage konfrontiert. Wohlwissend wie anstrengend es auch ist, in kürzester Zeit Fertigkeiten der Laminierkunst zu vermitteln. Zudem steht ja auch in dieser Zeit sein betrieblicher Ablauf still. Seine Erklärungen leuchteten mir ein und ich begrub schon während des Gesprächs den Gedanken, mein eigenes Traum-Velomobil zu bauen.
Dennoch wollte ich es unbedingt und nervte in der Folgezeit solange weiter, bis er sein OK gab. Allerdings mit besonderen Vorzeichen. Denn jetzt durfte ich nicht nur, sondern ich musste es sogar lernen und nach Möglichkeit sehr zeitnah. Ups … was war passiert?
Andreas beschloss, die Fertigung von Velomobilen einzustellen und nur noch als Händler mit allem drumherum zu fungieren. 30 Jahre laminieren, 30 Jahre klebrige Pampe verteilen, 30 Jahre Staub vom Schleifen an den Klamotten usw. Wenn der Spaß nicht mehr vorhanden ist, wenn es zu einem MUSS mutiert, dann sollte man Alternativen heranziehen und genau das tat er.
Das EVO-R sollte ein neues Herrchen bekommen. Ein Herrchen, dass die Pionierarbeit über die Jahre, den dazugehörigen Stress und auch Erfolg zu schätzen weiß. Jemanden, der das EVO-R regelrecht liebt. Jemanden, der so einiges dafür in seinem Leben ändern würde. Also kurzum, jemanden wie mich. Da es mich aber nur ein einziges Mal gibt auf der Welt, bleibe auch nur ich über. Somit übernehme ich das EVO-R. Herstellung, Vertrieb und alles was dazu gehört. Bumm … Tür zu.
So, da stand ich nun. Von nix eine Ahnung, noch kein Gramm Pampe angerührt und schon Hersteller. Im Juni war es dann soweit. Innerhalb 5 Tagen sollte das EVO-R durch mein Tun entstehen.
Die Anreise am Sonntag hatte es schon in sich. Abgesehen von einer üblen und noch nie dagewesener Allergie, die mein Gesicht stark anschwellen ließ, ich kaum aus den Augen schauen konnte, einem Juckreiz den man im Mittelalter als Folter hätte anwenden können, machte ich mich dennoch auf den Weg nach Straelen. Als wäre das nicht schon genug mit der Allergie, verabschiedete sich nach nur 60 km von zuhause entfernt, am neuen Miet-Anhänger das linke Hinterrad samt Achse und überholte mich.
Sofort sorgte diese Situation für einen Stau auf der Autobahn. Erst nachdem das Rad außer Sichtweite war, nahm der Verkehr wieder die Fahrt auf. Ich benachrichtigte die Polizei und sie suchten das Rad. Sie fuhren die Strecke 2 mal ab und fanden es 500 m weiter an der Tankstelle vor einer Zapfsäule.
Die Polizisten musterten mich, als sei ich ein Aussätziger und fragten nach meinem Wohlergehen. Ich sah wirklich furchterregend aus. Quasimodo war gegen mich, zu diesem Zeitpunkt, ein Top-Model.
Der Abschleppdienst war recht schnell zur Stelle und lud den Anhänger auf. So fuhr ich ohne Anhänger weiter.
Montag dann ging es zeitig los. Andreas kochte zuerst einen Kaffee für uns, den wir bei einem Plausch genüsslich schlürften und dann ging es in die Werkstatt. Ich machte mich mit den benötigten Utensilien und deren Plätzen vertraut und lernte wie man das Harz ordentlich anmischt, hier kommt es tatsächlich auf jedes Gramm an. Handschuhe und Mund-Nasenschutz waren obligatorisch, aber mir sehr fremd. Da ich eh kaum Luft bekam, war die Freude an der Arbeit schon etwas getrübt.
Ich lernte, wie man das Harz mit dem Pinsel aufträgt. Das klingt nämlich einfacher als es in Wirklichkeit ist. Ruckzuck verschiebt sich gerne mal das Gewebe und schon produziert man optischen Ausschuss. Das galt es zu verhindern, denn das kostet nicht nur Geld, sondern auch viel wertvolle Zeit. Auch sollte man sich nicht Zuviel Zeit beim „Kleistern“ nehmen, denn dann kann das Harz im Becher andicken und wird unbrauchbar. Dieser Zustand macht sich durch Wärme, die durch die Reaktion des Harzgemisches entsteht, deutlich bemerkbar.
Die Anfänge verliefen relativ gut und irgendwie klappte das Meiste auf Anhieb. Jedoch war schon zu erkennen, dass ich ein absoluter Neuling in der Branche bin und viel Zuviel Zeit für die Arbeit benötige. Ich musste lernen, deutlich schneller das Harz aufzutragen, denn die aufwändigen Teile wie Brücke, Tretlagermast und Schwinge sollten ja erst noch kommen.
Nachdem die meisten Teile für das Innere gefertigt waren, folgte die Karosse. Irgendwie die Königsaufgabe. Präzision, Schnelligkeit und viel Erfahrung sollte man hier mitbringen. Versteht sich von selbst, dass ich das nicht komplett alleine gemacht habe. Es fühlte sich so an als während ich das Gewebe auslegte, Andreas schon fertig mit dem laminieren war. Unfassbar, was er an Geschwindigkeit vorlegte. Es demoralisierte mich aber nicht, im Gegenteil, ich nahm es als gegeben hin und es sollte mir in der Zukunft als Vorbild dienen.
Ich fieberte dem Tag der Entformung entgegen. Wenn eine weitere Schönheit erschaffen ist und sich der Öffentlichkeit präsentieren darf. Dies ist für einen Neuling wirklich ein heroischer Moment, geprägt von Spannung, Freude und auch ein bisschen Angst. Letzteres sollte sich aber als völlig unbegründet herausstellen.
Fertig! Von wegen, jetzt beginnt die Arbeit. Alle Konturen müssen peinlich genau geschliffen werden. Gute Augen und eine ruhige Hand sind hier sehr von Vorteil. Letzteres habe ich. Bevor ich irgendwo zuviel Material abtrage, überprüfte ich nahezu minütlich meine Arbeit. Das was Andreas in einer Stunde erledigt, dafür benötigte ich satte drei. Das war mir aber egal, denn Carbon zu schleifen will auch gelernt sein. Heute habe ich mit keiner dieser Arbeiten mehr ein Problem. Die Angst etwas falsch zu machen existiert nicht mehr. Es gibt kaum etwas, was im Nachhinein nicht wieder reparabel wäre. Nur, auch das muss man erstmal lernen.
Danach folgen weitere Arbeiten, die sehr viel Konzentration und Fingerspitzengefühl erfordern, das Einkleben des hinteren Radkastens, der Brücke und des Tretlagermastes.
Schon hübsch und vor allem superleicht
Ok, es war Freitag, die Luft bei mir war vollends raus und ich wollte irgendwie nachhause. Das EVO wurde zwar fertig, aber nicht transportfähig, da der Kleber noch Zeit zum Aushärten brauchte. So entschieden wir uns, die Karosse nach dem Wochenende zu holen. Montagmorgen um 9:00 Uhr stand ich wieder auf dem Betriebsgelände und lud die Karosse und selbstverständlich das Herzstück, die „Glaskuppel“, ins Auto und befand mich um 10:00 Uhr wieder auf dem Heimweg. Es sind ja immer nur 275 km einfache Strecke.
Zuhause angekommen, präsentierte ich das Kunstwerk meiner Familie und der Nachbarschaft.
Da stand es nun. Ich war mir sicher, das Fahrzeug innerhalb 4 Wochen fahrbereit zu haben. Ich verhandelte schon mit einem Lackierer und vereinbarte einen Termin. Doch es sollte alles anders kommen. Ich nehme es vorweg, das Evo ist bis heute nicht fertig. Was sind die Gründe?
Zu einem wurde die Fa. „Velomobile in Hessen“ sehr gut von der Kundschaft angenommen und ich hatte sehr gut und viel zutun. Da mein Geschäft nur als Nebengewerbe lief, ging ich auch einer Vollzeitbeschäftigung nach. Morgens um 5:00 Uhr aufstehen, 5:50 Uhr Abfahrt, 36 km strampeln, gegen 17:00 Uhr Feierabend, die gleiche Strecke zurück. Dann der Familie „Hallo“ sagen und ab in die Garage. Ich kam sonst zu nichts anderem, außer Garage aufhübschen und ein Büro im Keller mit Lagermöglickeit für Ersatzteile einzurichten.
In den letzten 3 Wochen holte ich fast alles nach und das Evo wird tatsächlich bald fahren. Nur noch die Lichtkuppel einkleben, dann Hurra …
Jetzt zum Wesentlichen, es wird auch nicht mehr soviel geschrieben, sondern es gibt immer nur kurze Erklärungen zu meinen Ideen, denn … … die Produktion der Evos ist endlich angelaufen und in wenigen Tagen erhalte ich die erste Lieferung. Da ich nur die fertigen Karossen erhalte, erwartet mich ordentlich Arbeit, auf die ich mich aber sehr freue.